Die Seilbahnabstimmung – ein Versuchsballon für künftige Konzernbegehren?

Als die direkte Demokratie in Hamburg gestärkt wurde, und insbesondere nach dem aus ihrer Sicht verlorenen Volksentscheid zum Netzrückkauf war die Handelskammer – bzw. ihre Chefetage – gar nicht glücklich.
Die “Beratung” von Parlamentarier*innen und die diskrete Einflussnahme auf die politische Entwicklung hatten die sich selbst als “die Wirtschaft” missverstehenden Top-Unternehmer bisher gewissermaßen als ihr angestammtes Naturrecht begriffen. Nun aber tauchten plötzlich Akteure auf, die mit wenig Geld, dafür aber mit Sachargumenten politische Themen zum Gegenstand öffentlicher Debatten machten und Richtungsentscheidungen zur allgemeinen Abstimmung stellen ließen.

Genau dafür sind diese Instrumente wie Bürgerbegehren und Volksentscheide ja auch gedacht: ein Gegengewicht zu schaffen zur Übermacht von Konzernen, Verbänden, Parteien und Behörden. Direkte Demokratie soll den Bürgerinnen und Bürgern eine Möglichkeit zur Mitgestaltung bei der Entwicklung der Stadt geben.

Doch die Kapitalvertreter sind grummelig. So sagte der Präses der Hamburger Handelskammer, Fritz Horst Melsheimer, vor der Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg e. V. am 31. Dezember 2013 mit deutlich beleidigtem Unterton:

“Mit der Volksgesetzgebung hat die Bürgerschaft geruht, einen Großteil der tatsächlichen Gesetzesinitiative und der Gesetzgebung unmittelbar an das Volk zurück zu delegieren. Als überzeugter Anhänger der repräsentativen Demokratie halte ich das zwar für nicht vernünftig. Als Demokrat akzeptiere ich das und auch als Handelskammer müssen und werden wir entsprechend handeln. Gemäß Paragraph 1 IHK-Gesetz haben wir den Gesetzgeber zu beraten. Bisher trat als Gesetzgeber nur das Parlament in Erscheinung. Das machte es zu Adressaten unserer Stellungnahmen. Soweit künftig als Gesetzgeber das Volk unmittelbar tätig wird, werden wir uns also – wie zuvor gegenüber den Parlamentariern – unmittelbar an das Volk wenden müssen. Es ist also folgerichtig, dass unsere Handelskammer als Akteur in Verfahren der Volksgesetzgebung auftritt. Vielleicht sogar auch als Initiator.”

Quelle: www.hk24.de/linkableblob/hhihk24/standortpolitik/wirtschaftspolitik/downloads/2713392/.6./data/Praesesrede_2013-data.pdf, Seite 28

Das ist eine kaum verhohlene Drohung. Selbst die minimale Einschränkung ihrer Hegemonie bei der Beeinflussung politischer Entscheidungsträger*innen wollen die Granden der Lobby-Verbände nicht hinnehmen. Was als Instrument der direkten Demokratie gedacht war, soll zum Durchdrücken von Konzerninteressen missbraucht werden. Bei der Finanz- und Medienmacht kann kein anderer politischer Akteur mithalten, die öffentliche Meinung droht so zum Spielball der Verbände zu werden.

Ist die Seilbahn-Abstimmung vielleicht – neben den anderen, alles andere als gemeinnützigen Interessen, die dahinterstehen – ein Versuchsballon für künftige Konzernbegehren?
Einiges spricht dafür, schließlich engagiert sich die HK – zusätzlich zum Tourismusverband – stark in der Kampagne. Allein für den Versand von Pro-Seilbahn-Werbematerial und für Veranstaltungen hat die Kammer bisher mehr als 20.000 Euro zur Unterstützung des Seilbahnprojekts ausgegeben. Nicht alle Mitglieder sind darüber glücklich.

Auch das ist ein Grund, beim Bürgerentscheid mit NEIN zu stimmen: die Strategie des Missbrauchs eines Instrumentes der direkten Demokratie für die Durchsetzung von Konzerninteressen darf nicht aufgehen. Der Versuchsballon muss zum Platzen gebracht werden.